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Der NORDEN IRLANDS Der rauhe Charme von Antrim und Donegal und ein geplatzter Hochzeitstag |
1964 war es. Und 1988. 24 Jahre lagen zwischen den beiden Irlandreisen, die ich ohne Moni unternommen habe. Genau dazwischen, 1976 und 1977, haben wir zweimal gemeinsam die Grüne Insel durchstreift. Und danach noch einmal, 2009, waren wir in Dublin. Aber das zählt nicht. 1964, das war das Jahr der Vespa-Reise, auf der ich bei meiner vierwöchigen Rundfahrt auch den 'wilden Norden' besucht habe, das republikanische County Donegal und das County Antrim in der britisch-irischen Provinz Ulster. 1988 hatte mich's auf den Lough Erne im Nordirischen verschlagen, um diesen phantastischen See mit einem selbstgesteuerten Boot zu erfahren. | 1964 in Donegal |
In der Republik, in Eire also, haben kürzlich die Marketingstrategen den Wild Atlantic Way kreiert, eine touristische Route, die sich von Cork im Süden bis Derry im Norden über 2.600 km immer entlang der Küste schlängelt. Damals, als ich meine Vespa auf den einspurigen Straßen und Humpbridges malträtierte, war die Route noch namenlos. Aber alles hätt sing Zick. |
rot & gelb = geplante Strecke 2016 | blau = Reiseziele 1964 & 1988 |
Jedenfalls sind mir die Orte und Berge und Küsten und Buchten Donegals in - leider über die Jahrzehnte immer mehr verblassender
- plastischer Erinnerung geblieben: Sligo, das
Yeats-Grab, Benbulben,
Slieve League, das Bloody Foreland, Ardara,
The Rosses, Glencolumbkille, die Bucht und den Strand von
Tra na Rosann.
; nicht zu vergessen das achte Weltwunder, den Giants' Causeway in Nordirland. Genauso wie die kleinen Erlebnisse am und auf dem Lough Erne: die Singalongs in Enniskillen, die Begegnung mit der Pfauenzucht der Hare Krishnas auf der Insel Inis Rath, das Druiden-Heiligtum auf Boa Island im Lower Lough Erne und Rundturm und Hochkreuz auf Devenish Island. |
All das wollte ich nach Jahrzehnten wiedersehen in der Hoffnung, daß meine Begeisterung auf Moni überspringen wird, auf daß wir die Erinnerung an diese grandiose Landschaft mit ihren tollen Menschen und Kuriositäten zukünftig gemeinsam teilen könnten. |
Geradeaus Richtung Norden Das Carrickdale Hotel, unmittelbar vor der Grenze zur britisch-irischen Provinz Ulster, besticht durch dreierlei: das blendende Preis-Leistungs-Verhältnis, die überquellende Bar und den Parkplatz. Oder vielmehr die Kennzeichen der dort abgestellten Autos. Wenn man's nicht besser wüßte, dann würde man vermuten, daß die grenznahe Lage denselben Effekt habe, wie Swaziland für die männlichen Bewohner der Republik Südafrika.Warum, fragt man sich, betrinken sich die britischen Iren in Eire und nicht daheim? An den Preisen kann es nicht liegen. Vielleicht weil es im irisch-irischen Irland irischer ist als im britisch-irischen Irland? |
Nach etlichen Meilen durch die rollende Hügellandschaft des County Down, vorbei am Ballynoe Steinkreis, an den Struel Wells und der Inch Abbey und einem sanften Übersetzen mit der Fähre über den Strangford Lough begegneten wir erstmals Zeugen anglo-normannischer Gotik: Die Ruinen von Grey Abbey, einer Zisterziensetabtei von 1193. Die Klosterkirche von Grey Abbey war der erste, vollständig aus Stein errichtete Bau in der Provinz Ulster und ebenso das erste Gebäude, in dem die romanischen Rundbögen komplett von gotischen Spitzbögen verdrängt worden sind. Zerstörung und Wiederaufbau wechselten durch die Jahrhunderte, bis 1778, verursacht durch eine erneute Zerstörung, das Ende von Grey Abbey besiegelt war. Wir waren dort zu einer guten Reisezeit. Die zweite Hälfte September ist eine ideale Reisezeit für Irland. Noch relativ warm, relativ wenig Regen (eigentlich), kaum saisonale Einschränkungen der touristischen Infrastruktur. Und doch waren wir - sollte man sagen: natürlich - die einzigen Besucher. Informationskiosk geschlossen, die WCs verrammelt, der Parkplatz leer. Liegt es an uns, daß wir immer wieder vor verschlossenen Türen stehen und die einzigen Besucher herausragender, kultureller Denkmäler sind? So wie es in der prachtvollen romanischen Kirche von Siresa in Aragon war, beim Kalvarienberg von Guimiliau in der Bretagne, beim Moldaukloster Arbore in der Bukowina, am Broch 'Dun Carloway' auf der Hebrideninsel Lewis, der Wehrkirche St. Veit zu Edlitz in Niederösterreich, bei der Kirchenburg von Dersch in Siebenbürgen? Nun, wir können's nicht ändern. |
Belfast "I've got a ticket to the fast city" singt Katie Melua in ihrem der nordirischen Hauptstadt gewidmeten Song. Gut, hatten wir auch. Aber was fängt man mit Belfast an? Zu viele Gedanken über die blutigen Auseinandersetzungen zwischen der katholischen IRA und den Trupps des protestantischen Oranier-Ordens schwirren durch den Kopf, als daß man Belfast als das sehen könnte, was es mittlerweile ist: eine britische Großstadt wie Liverpool oder Glasgow. Wenn nicht, ja wenn nicht, das Irische an vielen Enden durchscheinen würde: die Sprache, die heitere Gelassenheit und die Kneipenkultur. |
Zum Giant's Causeway Zur Mutter aller Whiskey-Distillen, der 400 Jahre alten Bushmills-Brennerei, wollten wir nicht. Als Autofahrer Bushmills zu besuchen ist wie der Philharmoniebesuch für einen Tauben. In Ballycastle trafen wir zum ersten Mal auf die Atlantik-Küste. Nichts besonderes eigentlich. Jedoch der Blick hinüber nach Schottland weckte Erinnerungen: Im Hintergrund ist der Mull of Kintyre auf der Südspitze der gleichnamigen Halbisel zu erkennen. Paul McCartney machte durch seinen gleichnamigen Titel den Mull 1978 weltbekannt. (Wir haben 2008 dort drüben gestanden, nach hier herüber geblickt und uns vorgenommen, irgendwann von hier aus "zurück zu blicken". Heute war's soweit.) Ein paar Meilen weiter, nach Bonamargy sind wir statt dessen gefahren. Diese franziskanische Friary aus dem 15. Jahrhundert wurde während der kriegerischen Auseinandersetzungen der Clans der MacDonnell und MacQuillan zerstört. Von Bonamargy aus wurde im 17. Jahrhundert Schottland missioniert. Das Beeindruckendste an der Friary kann man nicht sehen. 1822 wurden in den Ruinen durch Zufall sechshundert Original-Pergamentseiten einer der Schriften des Hl. Thomas von Aquin aus den Jahren 1338-1380 gefunden. Auf der Fahrt Richtung Küste hatte ich Moni von meinen Hoffnungen, Erwartungen und Zweifeln erzählt, die mich beim Gedanken an die frühere Einsamkeit beim Giant's Causeway überfielen. Wird es noch sein wie damals? Hat auch hier der unersättliche Moloch Tourismus zugeschlagen? Wenn's hier voll sein wird, ging es mir durch den Kopf, dann ist's vorbei mit den leeren Stränden, den einsamen Klippen und den einspurigen Straßen. Dann hat sich mein Plan zerschlagen, Moni den unverfälschten Norden Irlands näher zu bringen. |
Von Ulster nach Ulster; raus aus Großbritannien,
rein nach Irland. | ||
An der Einmündung der B202, die von der A2, der Sea Coast Road,
zu Her Majesty's Prison und zum Fähranleger führt, stand ein Schild: "Lough Foyle Ferry - traffic suspended for the season". Oh Mann, anstatt 20 Minuten Übersetzen bedeutet das einen Umweg von 75 km. Aber haben wir nicht gelernt, daß der Glaube Berge versetzen kann? Dann kann er möglicherweise auch Autos über einen Lough befördern. Also los, den Versuch ist's wert! |
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Und siehe: Zwei Autos warteten schon, die Auffahrtampel sprang auf Grün, wir rumpelten an Deck der Fähre und los ging's.
"Sagen Se mal, wat soll denn dat dußlige "traffic suspended"-Schild dahinten an der A2?" "Wat für'n Schild?" "Ach, verjessen
Se't. Wieviel kostet's, ein Auto und zwei Personen, einfach?" Glückliches Irland. | ||
Inishowen: Das High Cross von Clonca und ein
Steinkreis Da stand es also, mitten in einer Kuhweide, unser erstes Hochkreuz. Simpel zwar und kein Vergleich zu denen im Süden, aber wir fühlten uns willkommen geheißen. Das Cloncha High Cross zwang uns durchs kniehohe Gras und über Steinmauern. Ehrfürchtig steht man dann vor dem Kreuz, das im 10. Jhd. auf dem Gelände des 600 Jahre zuvor von dem Hl. Morialagh (die Ähnlichkeit in Schreibbild und Aussprache zu Maria Laach ist rein zufällig) gegründeten Klosters aufgerichtet wurde. Es gilt als eines der frühesten und wichtigsten Zeugnisse des Christentums außerhalb des Mittelmeerraums. Wenige Kilometer und drei Fragen an drei Bauern weiter fanden wir auf einer vermatschten Wiese hinter einem stabilen Gatter den Steinkreis von Bocan. Arme, verwitterte, kleinwüchsige Vettern von Stonehenge. Selbst Callanish auf der Isle of Lewis ist riesig dagegen. Sieben Menhire aus der irischen Bronzezeit zwischen 3000 und 1500 v. Chr. stehen noch aufrecht. Sie waren Bestandteil eines Ringes von ca. 29 Steinen. | ||
The Gap of Mamore Da die Giants' Causeway-Erfahrung uns die Illusion geraubt hatte, irgendwo in Irland noch auf die erinnerte Ursprünglichkeit zu stoßen, haben wir eine Route genommen, von der wir nur wußten, daß es sie gab und daß sie mit einem schwach motorisierten Auto besser nicht befahren werden sollte. Doch die Straße über den Gap of Mamore müßte das erhoffte Erlebnis bringen. Wenn nicht hier, wo denn sonst? Obwohl auf der 'One-Lane-Road', die mit 30%igen Steigungen aufwartet, nur 250 Höhenmeter bis zum Paß zu überwinden sind, verlangt sie Auto und Fahrer einiges ab. Und der Beifahrerin Schwindelfreiheit. Die Straße - sage ich Straße? - ist teilweise nur im ersten Gang zu meistern. Immerhin gibt es ausreichend 'Passing Points' für den (nicht vorhandenen) Gegenverkehr. Für die Mühsal der Auffahrt entschädigt die Paßstraße mit überwältigenden Ausblicken auf die Irische See und die Halbinsel Inishowen. Hier ist die Zeit stehengeblieben. Hier ducken sich noch die länglichen, weißgekälkten Häuschen mit ihren farbenfrohen Türen und Fensterläden unter die Strohdächer, hier mischen sich noch gelbe mit blauen, roten und grünen Schafen, hier wird noch gewarnt "Attention! Sheep for the next 25 miles". Am Gap of Mamore ist Irland noch Irland. |
Der Grianán Ailigh und … Bum | |
Gelesen hatten und daher vorbereitet waren wir, daß der Fährdienst
über den Lough Swilly exakt zehn Tage, bevor wir ihn benötigt hätten, eingestellt werden würde. ("Closed for the season".) Jedoch nach den Erfahrungen des Vormittags mit der Lough Foyle-Fähre waren wir guter Hoffnung. Besonders weil schon weit vor Buncarna auf die Fähre hingeweisen wurde. Jedoch, der Anleger war wintertauglich verrammelt und wir hatten diesmal Pech. Die Überfahrt von Buncrana auf Inishowen über den Lough Swilly nach Rathmullen auf der Halbinsel Fanad dauert 15 Minuten, der Umweg rund um Lough Swilly eine Stunde, mindestens. Die hätten wir uns gerne erspart. Auch weil der weitere Verlauf der Tagesetappe von Rathmullen nordwärts führte. Aber "It could have been worse" wie der Ire zu sagen pflegt. | |
Die Lebensweisheit, daß 'alles mit allem
zusammenhängt', bestätigte sich auch diesmal wieder. Wären wir 14 Tage früher
unterwegs gewesen oder hätte die Fähre ihren Dienst nicht eingestellt, wären wir niemals zum Grianán Ailigh gekommen, diesem
grandiosen Fort, das bereits den Hl. Patrick im Jahr 450 in Aktion gesehen hatte. Zwischen 800 v. Chr. und 1200 n. Chr. war das Ringfort Sitz der Könige von Ailigh, deren 63 an der Zahl aus der Zeit von 465 bis 1185 namentlich bekannt sind. Und hätte es nicht in Strömen geregnet, dann wären wir bei der Besichtigung nicht so naß geworden, hätten die grandiose Aussicht auf Inishowen und den Lough Skilly genossen und die Laune wäre besser gewesen. Dann hätten wir wohl die "Scenic Route" und nicht die Abkürzung über eine der 'One-Lane-Roads' unter die Räder genommen. Dann wäre unsere Sicht nicht durch die Hecke beeinträchtigt gewesen und dann hätte es nicht 'Bum' gemacht. Dann hätte die freundliche Polizistin kein Gruppenfoto von uns und vier gestandenen irischen Mannsbildern machen können; dann hätten wir unsere Irland-Reise nicht abgebrochen und hätten gemäß unserem Plan all die Orte besucht, die wir uns vorgenommen hatten zu besuchen: Sligo, das Yeats-Grab, Benbulben, Slieve League, das Bloody Foreland, Ardara, The Rosses, Glencolumbkille, die Bucht und den Strand von Tra na Rosann. , und wir hätten einen Tag am und auf dem Lough Erne verbracht: mit Singalongs in Enniskillen, der Begegnung mit der Pfauenzucht der Hare Krishnas auf der Insel Inis Rath, dem Druiden-Heiligtum auf Boa Island und bei dem Rundturm und dem Hochkreuz auf Devenish Island. Dann hätten wir etliche Guiness und Jameson's mehr getrunken und in Ardara Tweed gekauft und dort unseren Hochzeitstag auf dem Johnny Doherty Festival mit irischen Balladen ausklingen lassen; dann hätten wir uns letztendlich mit einem Herzen voller erinnerungswürdiger Erlebnisse von unserem geliebten Irland für immer verabschiedet. So ist's ein trauriges Goodbye geworden. Aber "it could have been worse". Ach ja, der Hochzeitstag. Den haben wir abends daheim in Hennef gefeiert. Oktober 2016 |
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